Der Generalbundesanwalt

Navigation und Service

Anklage gegen ein mutmaßliches Mitglied sowie zwei mutmaßliche Unterstützer der ausländischen terroristischen Vereinigung „Islamischer Staat (IS)“ erhoben

Ausgabejahr 2019
Datum 24.04.2019

Anklage gegen ein mutmaßliches Mitglied sowie zwei mutmaßliche Unterstützer der ausländischen terroristischen Vereinigung „Islamischer Staat (IS)“ erhoben

Die Bundesanwaltschaft hat am 12. April 2019 vor dem Staatsschutzsenat des Oberlandesgerichts Düsseldorf Anklage gegen

die 21-jährige deutsch-algerische Staatsangehörige Sarah O.,
den 51-jährigen deutschen Staatsangehörigen Ahmed S. und
die 48-jährige deutsche Staatsangehörige Perihan S.

erhoben.

Die Angeschuldigte Sarah O. ist hinreichend verdächtig, sich in den Jahren 2014 bis 2017 in Syrien als Mitglied an der ausländischen terroristischen Vereinigung „Islamischer Staat (IS)“ beteiligt zu haben (§ 129b Abs. 1 Satz 1, § 129a Abs. 1 Nr. 1 StGB) sowie sich, ohne dass dies durch die Erfordernisse des bewaffneten Konflikts geboten war, Sachen der gegnerischen Partei in erheblichem Umfang völkerrechtswidrig angeeignet zu haben (§ 9 Abs. 1 VStGB). Zudem werden ihr Menschenhandel (§ 232 Abs. 3 Satz 1 Nr. 1 und Satz 2, Abs. 2 Nr. 1 und Nr. 2 StGB) sowie Freiheitsberaubung (§ 239 Abs. 3 Nr. 1 StGB) zur Last gelegt.

Gegen Ahmed S. sowie Perihan S. besteht der hinreichende Tatverdacht der Unterstützung einer ausländischen terroristischen Vereinigung (§ 129b Abs. 1 Satz 1, § 129a Abs. 5 Satz 1 StGB) sowie der Vorbereitung einer schweren staatsgefährdenden Gewalttat (§ 89a Abs. 1, Abs. 2 Nr. 4 StGB in der Fassung vom 30. Juli 2009). Zudem sind beide Angeschuldigte wegen Straftaten nach dem Außenwirtschaftsgesetz (§ 17 Abs. 1 Nr. 2, Abs. 2 Nr. 2, § 18 Abs. 1 Nr. 1 Buchstabe a, Abs. 7 Nr. 2 AWG) angeklagt.

In der nunmehr zugestellten Anklageschrift ist im Wesentlichen folgender Sachverhalt dargelegt:

1. Sarah O. verließ im Oktober 2013 die Bundesrepublik Deutschland, um sich in Syrien einer terroristischen Vereinigung im Kampf gegen das Regime des syrischen Machthabers Assad anzuschließen und am Aufbau eines islamischen Staates nach dem Vorbild der Scharia zu beteiligen. Sie reiste über die Türkei nach Syrien und erhielt eine Ausbildung im Umgang mit dem Sturmgewehr des Typs Kalaschnikow, bevor sie Anfang 2014 den aus Deutschland stammenden „IS“-Kämpfer Ismail S. nach islamischem Recht heiratete. Spätestens ab diesem Zeitpunkt gliederte sich die Angeschuldigte in die Entscheidungs- und Befehlsstruktur der ausländischen terroristischen Vereinigung „Islamischer Staat“ ein. Ab Februar 2014 übernahm sie - gemeinsam mit ihrem Ehemann - Wach- und Polizeidienste zur Sicherung der vom „IS“ kontrollierten Gebiete. Sarah O. versuchte darüber hinaus, Personen aus Europa zur Ausreise nach Syrien zu bewegen, um dort für den „IS“ am sogenannten Heiligen Krieg teilzunehmen.

Gemeinsam mit Ismail S. erhielt sie von der Vereinigung ein monatliches Gehalt von etwa 118 US Dollar. Im Januar 2014 richteten beide ihre in Jarabulus (Syrien) gelegene Wohnung mit Einrichtungsgegenständen und Haushaltsgeräten ein, die sie kostenlos als sogenannte Kriegsbeute vom „Islamischen Staat“ erhalten hatten. In dieser Wohnung nahmen Sarah O. sowie Ismail S. Neuankömmlinge für den „IS“ auf. Im Juni 2014 verschafften sie sich in Jarabulus eine andere Wohnung samt Inventar. Diese war vom „IS“ unter seine Verwaltung gestellt worden, nachdem die Eigentümer durch die Vereinigung getötet oder von ihr vertrieben worden waren. Mit dem Beziehen der Wohnungen verfolgte Sarah O. das Ziel, den Gebietsanspruch des „Islamischen Staates“ zu festigen und eine Rückeroberung durch gegnerische Militärverbände zu erschweren.

Sarah O. und Ismail S. hielten im Zeitraum September 2015 bis Oktober 2017 ein jesidisches Mädchen sowie zwei jesidische Frauen als Sklaven. Diese mussten die Kinder der Angeschuldigten betreuen sowie sich um den Haushalt kümmern. Durch die Sklavenhaltung wollte die Angeschuldigte aber auch die Ziele des „Islamischen Staates“ durchsetzen, indem die jesidische Bevölkerung gewaltsam zur Aufgabe ihres bisherigen Glaubens sowie zum Anschluss an den Islam gezwungen werden sollte.

Nachdem sich die militärische Lage des „Islamischen Staates“ Ende 2017 noch weiter zugespitzt hatte, flüchtete Sarah O. aus dessen Herrschaftsgebiet. Im Februar 2018 überquerte sie die syrisch-türkische Grenze und wurde von türkischen Sicherheitskräften festgenommen. Am 21. September 2018 wurde die Angeschuldigte von der Türkei in die Bundesrepublik Deutschland abgeschoben und hier bei ihrer Einreise festgenommen.

2. Ahmet S. und Perihan S. sind die Eltern des gesondert verfolgten Emre Yunus S. sowie des mit Sarah O. nach islamischen Recht verheirateten Ismail S. Die beiden Brüder verkauften seit Oktober 2013 Waffenzubehör sowie andere Ausrüstungsgegenstände an den „Islamischen Staat“ und dessen Verbündete. Nach ihrem Anschluss an die Vereinigung im November 2013 setzten die Brüder ihre gemeinsame Geschäftstätigkeit fort. Um die Versorgung des „IS“ mit Nachschub sicherzustellen, errichteten sie ein internationales Logistiknetzwerk. Vor diesem Hintergrund hielt sich Emre Yunus S. ab Ende Januar 2014 in der Türkei auf. Dort beschaffte er die Waren und sorgte für deren Transport nach Nordsyrien. Ismail S. verblieb in Nordsyrien und kümmerte sich dort um den eigentlichen Verkauf. Die beiden Brüder wurden dabei durch Ahmet S. und Perihan S. unterstützt. Im Einzelnen:

Im Zeitraum Oktober bis Dezember 2013 ließ sich Perihan S. in zwölf Fällen die durch ihre Söhne zum Weiterkauf bestimmten Waren zu ihrem Wohnsitz in Deutschland liefern. Hierbei handelte es sich insbesondere um Magazine und Visiereinrichtungen für Schusswaffen, vor allem für Sturmgewehre des Typs Kalaschnikow. Acht dieser Lieferungen wurden von Ahmet S. bezahlt.

Ende November 2013 brachte Perihan S. 50 Magazine für das Sturmgewehr des Typs Kalaschnikow zu ihren Söhnen nach Jarabulus in Nordsyrien. Zwei weitere Lieferungen mit Waffenzubehör scheiterten allerdings. Bei ihrer beabsichtigten Ausreise über den Flughafen Köln/Bonn im Dezember 2013 stellten Zollbeamte bei Perihan S. unter anderem 183 Magazine für Sturmgewehre des Typs Kalaschnikow sowie 31 Pistolenmagazine sicher. Ebenfalls im Dezember 2013 schaffte es Perihan S. zwar, ungefähr 97 Waffenmagazine aus Deutschland auszuführen. Diese konnten jedoch auf dem Flughafen in Gaziantep (Türkei) beschlagnahmt werden. Im April 2014 versuchte Ahmet S. ebenfalls vergeblich, über den Flughafen Köln/Bonn Waffenzubehör zu seinen Söhnen zu transportieren. Hierbei handelte es sich um vier Zielfernrohre, ein Reflexvisier sowie Montageschienen für Sturmgewehre des Typs Kalaschnikow. Diese konnten allesamt sichergestellt werden.

Emre Yunus S. veranlasste im Zeitraum Dezember 2014 bis März 2015 in drei Fällen von der Türkei aus die Lieferung von insgesamt vier externen Akkus für elektronische Geräte sowie von 21 Ladegeräten an Perihan S. Diese nahm die Lieferungen entgegen und sorgte für deren Weiterleitung an ihren Sohn.

Schließlich wendete Perihan S. ihren Söhnen im Zeitraum Februar 2014 bis Mai 2015 erhebliche Geldbeträge zu, um diese bei deren Tätigkeit als Mitglieder des „Islamischen Staates“ zu unterstützen. Unter anderem ließ sie Ismail S. im Februar 2014 1.000 Euro zukommen, die für die Anschaffung eines Sturmgewehrs für Sarah O. verwendet werden sollten. Insgesamt erhielt Ismail S. 6.150 Euro. Ihren Sohn Emre Yunus S. bedachte Perihan S. mit insgesamt 18.600 Euro. In einigen dieser Fälle sorgte Ahmet S. für die Übermittlung der Geldbeträge an seine Söhne.

Sarah O. wurde am 21. September 2018 festgenommen und befindet sich seitdem in Untersuchungshaft (vgl. Pressemitteilung Nr. 52 vom 21. September 2018). Die beiden anderen Angeschuldigten befinden sich auf freiem Fuß.

Hinweis zur Verwendung von Cookies

Cookies erleichtern die Bereitstellung unserer Dienste. Mit der Nutzung unserer Dienste erklären Sie sich damit einverstanden, dass wir Cookies verwenden. Weitere Informationen zum Datenschutz erhalten Sie über den folgenden Link: Datenschutz

OK