Anklage gegen fünf mutmaßliche Mitglieder einer Terrorzelle der ausländischen terroristischen Vereinigung „Islamischer Staat (IS)“ erhoben
Ausgabejahr 2021
Datum 15.02.2021
Anklage gegen fünf mutmaßliche Mitglieder einer Terrorzelle der ausländischen terroristischen Vereinigung „Islamischer Staat (IS)“ erhoben
Die Bundesanwaltschaft hat am 1. Februar 2021 vor dem Staatsschutzsenat des Oberlandesgerichts Düsseldorf Anklage gegen die tadschikischen Staatsangehörigen
Farhodshoh K.,
Muhammadali G.,
Azizjon B.,
Sunatullokh K. sowie
Komron B.
erhoben.
Die Angeschuldigten sind hinreichend verdächtig, sich als Mitglieder an der ausländischen terroristischen Vereinigung „Islamischer Staat (IS)“ beteiligt zu haben (§ 129a Abs. 1 Nr. 1, § 129b Abs. 1 Sätze 1 und 2 StGB). Darüber hinaus werden dem Angeschuldigten Sunatullokh K. Verstöße gegen das Waffengesetz (§ 52 Abs. 1 Nr. 2 lit. b, § 2 Abs. 2 WaffG) sowie die Vorbereitung einer schweren staatsgefährdenden Gewalttat (§ 89a Abs. 1, Abs. 2 Nr. 2 Var. 1 StGB) und dem Angeschuldigten Farhodshoh K. Verstöße gegen das Außenwirtschaftsgesetz (§ 18 Abs. 1 Nr. 1 lit. a Var. 8 AWG i.V.m. Art. 2 der Verordnung (EG) Nr. 881/2002 in der Fassung der Durchführungsverordnung (EU) Nr. 632/2013 der Kommission vom 28. Juni 2013) zur Last gelegt.
In der nunmehr zugestellten Anklageschrift ist im Wesentlichen folgender Sachverhalt dargelegt:
Azizjon B. war bereits seit spätestens März 2017 fest mitgliedschaftlich in die Strukturen des sog. Islamischen Staates (im Folgenden: IS) eingebunden und stand in engem Kontakt zu zwei hochrangigen IS-Führungskadern in Afghanistan. Unter deren Anweisung entfaltete er von Nordrhein-Westfalen aus über das Internet unterschiedliche Aktivitäten für die Vereinigung. Grundlage hierfür war ein russisch- und tadschikischsprachiges Online-Netzwerk der „IS-Provinz Khorasan“, über das die Vereinigung ihre Anhänger weltweit radikalisierte sowie ideologisch schulte, in großem Umfang finanzielle Mittel einwarb und neue Mitglieder für den bewaffneten Kampf im Sinne des Dschihad rekrutierte. Dieses Netzwerk war maßgeblich in die Radikalisierung des tadschikisch-stämmigen Attentäters eingebunden, der in der Stockholmer Innenstadt am 7. April 2017 mit einem Lastkraftwagen vier Personen tötete und zahlreiche andere verletzte.
Der Angeschuldigte Azizjon B. administrierte innerhalb dieser Strukturen zahlreiche Propagandakanäle, war zentraler Ansprechpartner für die Sammlung und Weiterleitung von Geldern in die „IS-Provinz Khorasan“ und programmierte in enger Abstimmung mit den dortigen Führungskadern eine tadschikischsprachige Applikation für Mobiltelefone, um dem IS neben den von ihm verwalteten Online-Kanälen weitere Möglichkeiten zu eröffnen, seine radikal-islamische Ideologie zu verbreiten.
Azizjon B. warb auch persönlich in Deutschland um Mitglieder für den IS, was letztlich zur Gründung einer Terrorzelle der Vereinigung im Januar 2019 in Nordrhein Westfalen führte. Dieser gehörten neben den fünf Angeschuldigten insbesondere auch der gesondert verfolgte Ravsan B. an (vgl. Pressemitteilung Nr. 28 vom 21. Juli 2020), der wegen dieses Vorwurfes noch nicht rechtskräftig durch das Oberlandesgericht Düsseldorf am 26. Januar 2021 zu der Gesamtfreiheitsstrafe von 7 Jahren verurteilt wurde. Ziel der Zellenmitglieder, die hierfür in Kontakt mit IS-Führungsmitgliedern in Syrien und Afghanistan standen, war, ihrer radikal-islamistischen Ideologie folgend, den bewaffneten Kampf gegen aus ihrer Sicht „Ungläubige“ aufzunehmen und in der Bundesrepublik Deutschland Anschläge zu begehen.
Für die Umsetzung ihres Vorhabens ließen sich die Mitglieder der Zelle nicht nur ideologisch unterweisen, sondern trainierten bei sog. Paintball-Spielen auch körperlich ihre militärischen Fähigkeiten und Taktiken. Unter den Teilnehmern dieser Trainingseinheiten waren auch weitere Personen aus der islamistischen Szene, die ihrerseits Kontakt zu dem Attentäter des IS-Anschlags vom 2. November 2020 in Wien unterhielten. Zudem verschafften sich mehrere Zellenmitglieder umfangreiche Anleitungen zur Herstellung verschiedener Sprengstoffe sowie „Molotowcocktails“, erwarben Komponenten zum Bau einer unkonventionellen Spreng- und Brandvorrichtung (USBV) und übernahmen einen mit 40.000 US-Dollar dotierten Auftragsmord an einem albanischen Geschäftsmann, für deren Umsetzung sich der Angeschuldigte Farhodshoh K. mit dem gesondert verfolgten Ravsan B. im Februar 2019 nach Tirana begab. Der Erlös dieses Mordauftrags sollte in voller Höhe dem IS zur Verfügung gestellt werden. Die Ausführung des Auftragsmordes scheiterte kurzfristig, da das potentielle Anschlagsopfer nicht zweifelsfrei identifiziert werden konnte. Die für diesen Auftragsmord durch tschetschenische Kontaktpersonen in Österreich organisierte Schusswaffe nebst Schalldämpfer übergab der gesondert verfolgte Ravsan B. nach der Rückkehr aus Albanien an den Angeschuldigten Sunatullokh K.. Mit dieser Waffe wollte er sodann einen Mordanschlag auf den Betreiber eines islamkritischen YouTube-Kanals aus Neuss verüben. Wie mit der hochrangigen IS-Kontaktperson in Afghanistan bereits abgesprochen, sollten nach Ausführung der Tat Bilder des Leichnams für Propagandazwecke des IS im Internet verbreitet werden. Zur Umsetzung der Tat kundschaftete Sunatullokh K. das ausgewählte Opfer aus und versuchte, dessen Wohnanschrift ausfindig zu machen. Lediglich durch den Zugriff eines Sondereinsatzkommandos kurz nach Übergabe der Waffe konnten der Anschlag verhindert, Sunatullokh K. und Ravsan B. festgenommen und die Waffe sichergestellt werden.
Nach diesen Festnahmen im März 2019 richtete sich die Zelle unter Leitung des Angeschuldigten Farhodshoh K. strategisch neu aus. Von weiteren Anschlagsplanungen wurde vorläufig Abstand genommen. Fortan konzentrierten sich die Angeschuldigten auf die Radikalisierung junger Muslime in Deutschland, deren Rekrutierung für den IS und vor allem die finanzielle Unterstützung der Vereinigung, die zu diesem Zeitpunkt in Syrien militärisch besiegt war. Zu diesem Zweck veranlasste insbesondere der Angeschuldigte Farhodshoh K. in einer Vielzahl von Fällen Geldsammlungen in Deutschland und transferierte in jedenfalls drei Fällen Gelder an den IS nach Syrien. In einem Fall veranlasste Farhodshoh K. den Transfer von 18.000 Euro mittels zweier Bargeldkuriere per Flugzeug in die Türkei, wo das Geld an einen Finanzagenten des IS übergeben wurde.
Sämtliche Angeschuldigten befinden sich seit ihren Festnahmen in Untersuchungshaft. Die Angeschuldigten Farhodshoh K., Muhammadali G., Azizjon B. und Sunatullokh K. wurden jeweils am 15. April 2020 festgenommen (vgl. Pressemitteilungen Nr. 15 und Nr. 16 vom 15. April 2020), der Angeschuldigte Komron B. am 3. August 2020 nach seiner Überstellung aus Albanien zum Zwecke der Strafverfolgung (vgl. Pressemitteilung Nr. 32 vom 4. August 2020).