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Anklage gegen syrischen Arzt wegen Verbrechen gegen die Menschlichkeit u.a. erhoben

Ausgabejahr 2021
Datum 28.07.2021

Anklage gegen syrischen Arzt wegen Verbrechen gegen die Menschlichkeit u.a. erhoben

Die Bundesanwaltschaft hat am 15. Juli 2021 vor dem Staatsschutzsenat des Oberlandesgerichts Frankfurt am Main Anklage gegen

den syrischen Staatsangehörigen Alaa M.

erhoben.

Der Angeschuldigte ist folgender Verbrechen gegen die Menschlichkeit hinreichend verdächtig (§ 7 Abs. 1 Nrn. 1, 5, 6 und 8 VStGB): Er soll in 18 Fällen Menschen gefoltert und einen dieser Menschen anschließend getötet haben. In vier der Fälle ist er angeklagt, einem Menschen schwere körperliche und seelische Schäden zugefügt zu haben. In zwei Fällen soll er versucht haben, einen anderen Menschen der Fortpflanzungsfähigkeit zu berauben. Die dem Angeschuldigten zur Last gelegten Taten erfüllen ebenfalls die Straftatbestände des Mordes, der schweren Körperverletzung, der versuchten schweren Körperverletzung sowie der gefährlichen Körperverletzung (§ 211 Abs. 1 und 2, § 212 Abs. 1, § 226 Abs. 1 Nrn. 1 und 3, § 223 Abs. 1, § 224 Abs. 1 Nrn. 1, 2, 4 und 5, §§ 22, 23 Abs. 1 StGB).

In der nunmehr zugestellten Anklageschrift ist im Wesentlichen folgender Sachverhalt dargelegt:

Anfang 2011 kam es im Zuge der Freiheitsbewegungen in anderen arabischen Ländern auch in Syrien vermehrt zu Protesten gegen das Regime des Präsidenten Bashar Al Assad. Dieses begann spätestens Ende April 2011, sämtliche regierungskritischen Aktivitäten flächendeckend mit brutaler Gewalt zu unterdrücken. Das Ziel war es, die Bevölkerung einzuschüchtern und von weiteren Protesten abzubringen. Vor diesem Hintergrund wurden überall im Land – unter anderem bei Demonstrationen oder anlässlich von Kontrollen an Checkpoints – tatsächliche oder vermeintliche Oppositionelle festgenommen und inhaftiert. In den Hafteinrichtungen waren die Insassen regelmäßig der Folter ausgesetzt. Der Opposition zugerechnete zivile Verletzte wurden auch in Militärkrankenhäuser verbracht, dort gefoltert und nicht selten getötet.

Alaa M. war zwischen April 2011 und Ende 2012 als Assistenzarzt im Militärkrankenhaus Nr. 608 in der Stadt Homs (Syrien) tätig. Zudem arbeitete er als Arzt im Militärkrankenhaus Mezzeh Nr. 601 in Damaskus. In diesen Militärkrankenhäusern sowie im Gefängnis der Abteilung 261 des syrischen Militärischen Geheimdienstes in Homs misshandelte er inhaftierte Zivilisten.

Im Einzelnen beging der Angeschuldigte folgende Taten:

  1. Im Sommer 2011 übergoss Alaa M. in der Notaufnahme des Militärkrankenhauses Nr. 608 in Homs die Genitalien eines 14 oder 15 Jahre alten Jungen mit Alkohol und entzündete die Stelle mit einem Feuerzeug. Auf dieselbe Weise misshandelte der Angeschuldigte im Juli oder August 2011 einen in die Notaufnahme des Militärkrankenhauses eingelieferten Mann.
  2. Zwischen April und November 2011 folterte Alaa M. im Militärkrankenhaus Nr. 608 in Homs mindestens neun weitere Gefangene, indem er diese bei verschiedenen Gelegenheiten unter anderem trat, ihnen mit der Faust in das Gesicht, den Bauch oder die Genitalien schlug oder ihnen Schläge mit medizinischen Instrumenten versetzte. Einem Häftling quetschte der Angeschuldigte die Genitalien, einem anderen schlug er auf einen bestehenden Knochenbruch. An einem Häftling führte der Angeschuldigte die Korrektur einer Knochenfraktur ohne ausreichende Narkose durch.
  3. Im Oktober oder November 2011 nahm der syrische Militärische Geheimdienst zwei Brüder sowie deren Bekannten fest und inhaftierte sie im Gefängnis der Abteilung 261 in Homs. Am Morgen nach der Festnahme erlitt einer der Brüder einen epileptischen Anfall. Der herbeigerufene Angeschuldigte schlug dem Kranken ins Gesicht, versetzte ihm Schläge mit einem Plastikschlauch und trat ihm gegen den Kopf. Wenige Tage danach verabreichte Alaa M. dem durch den epileptischen Anfall Geschwächten eine Tablette. Dieser verstarb kurz darauf, ohne dass die Todesursache eindeutig geklärt werden konnte.
  4. Ende Juli oder Anfang August 2012 misshandelte Alaa M. gemeinsam mit anderen Bediensteten einen Gefangenen im Militärkrankenhaus Nr. 608 in Homs. Unter anderem hängten sie den Gefangenen mit den Händen an der Decke auf und schlugen mit einem Plastikstock auf ihn ein. Insgesamt nahm der Angeschuldigte an mindestens zehn Foltersitzungen zum Nachteil des Opfers teil. Bei einer Gelegenheit übergoss er dessen Hand mit einer brennbaren Flüssigkeit und zündete sie an.
  5. Im Juli oder August 2012 trat Alaa M. im Militärkrankenhaus Nr. 608 in Homs einem Gefangenen mit Stiefeln auf dessen vereiterte Wunde am Ellenbogen, aus der daraufhin Blut und Eiter austraten. Sodann begoss der Angeschuldigte die Wunde mit einem alkoholhaltigen Desinfektionsmittel und entzündete dieses. Anschließend trat der Angeschuldigte dem Gefangenen in das Gesicht, wodurch drei Zähne erheblich beschädigt wurden. Sie mussten später durch eine Prothese ersetzt werden. Zudem versetzte der Angeschuldigte dem Opfer mit einem Schlagstock Hiebe am ganzen Körper. Durch einen Schlag auf den Kopf verlor der Gefangene das Bewusstsein.
  6. Wenige Tage danach schlug und trat Alaa M. auf mehrere in einer Zelle des Militärkrankenhauses Nr. 608 in Homs untergebrachte Gefangene ein. Weil sich ein Häftling durch Tritte wehrte, prügelte Alaa M. mit einem Schlagstock auf ihn ein und fixierte ihn sodann mit Hilfe eines Krankenpflegers am Boden. Kurze Zeit später verabreichte der Angeschuldigte dem Häftling eine Injektion mit einer tödlich wirkenden Substanz in den Oberarm, an der er innerhalb weniger Minuten verstarb.
  7. Zwischen Ende 2011 und März 2012 misshandelte Alaa M. gemeinsam mit anderen Bediensteten Gefangene im Militärkrankenhaus Mezzeh Nr. 601 in Damaskus. In mindestens drei Fällen schlug er Opfer, einmal auch mit Gegenständen, oder trat auf sie ein.

Der Angeschuldigte praktizierte nach seiner Einreise in das Bundesgebiet Mitte 2015 als Arzt. Er wurde am 19. Juni 2020 aufgrund eines Haftbefehls des Ermittlungsrichters des Bundesgerichtshofs vom selben Tage festgenommen und befindet sich seit dem 20. Juni 2020 in Untersuchungshaft (vgl. Pressemitteilung Nr. 22 vom 22. Juni 2020). Der Haftbefehl vom 19. Juni 2020 wurde am 16. Dezember 2020 durch einen dem Stand der Ermittlungen angepassten Haftbefehl ersetzt (vgl. Pressemitteilung Nr. 52 vom 21. Dezember 2020).

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