Anklage gegen ein mutmaßliches Mitglied der ausländischen terroristischen Vereinigung „Islamischer Staat (IS)“ wegen Verbrechen gegen die Menschlichkeit und Kriegsverbrechen u.a. erhoben
Ausgabejahr 2022
Datum 29.06.2022
Anklage gegen ein mutmaßliches Mitglied der ausländischen terroristischen Vereinigung „Islamischer Staat (IS)“ wegen Verbrechen gegen die Menschlichkeit und Kriegsverbrechen u.a. erhoben
Die Bundesanwaltschaft hat am 14. Juni 2022 vor dem Staatsschutzsenat des Kammergerichts in Berlin Anklage gegen
den syrischen Staatsangehörigen Raed E.
erhoben.
Der Angeschuldigte ist der Mitgliedschaft in einer terroristischen Vereinigung im Ausland (§ 129a Abs. 1 Nr. 1 StGB, § 129b Abs. 1 Sätze 1 und 2 StGB) hinreichend verdächtig. Zudem werden ihm Verbrechen gegen die Menschlichkeit (§ 7 Abs. 1 Nrn. 5, 9 und 10 VStGB) und Kriegsverbrechen (§ 8 Abs. 1 Nr. 3 VStGB) sowie gefährliche Körperverletzung (§ 223 Abs. 1, § 224 Abs. 1 Nrn. 2, 4 und 5 StGB) vorgeworfen.
In der nunmehr zugestellten Anklageschrift ist im Wesentlichen folgender Sachverhalt dargelegt:
Raed E. schloss sich im Sommer 2014 im Raum Deir-Ezzor (Syrien) der ausländischen terroristischen Vereinigung „Islamischer Staat (IS)“ als Mitglied an. In diesem Gebiet ging der IS ab Ende Juli / Anfang August 2014 mit großer Härte gegen den dort lebenden Al-Shu’aytat-Stamm vor. Dabei kam es zu Beginn zu Massentötungen und später zu willkürlichen Inhaftierungen vor allem von männlichen Stammesangehörigen. Die in IS-Gefängnissen festgehaltenen Personen waren häufig schweren körperlichen Misshandlungen durch IS-Mitglieder ausgesetzt. Das Vorgehen des IS gegen den Al-Shu’aytat-Stamm kostete seinerzeit zwischen 700 und 1.000 Menschen das Leben.
Zwischen Mitte September und November 2014 nahmen Raed E. und weitere IS-Mitglieder einen Angehörigen des Al-Shu’aytat-Stammes fest. Die Festnahme erfolgte, als sich der Geschädigte in einem Lager des IS nach seinem zuvor durch die Vereinigung entführten 13-jährigen Bruder erkundigte. Gemeinsam mit anderen IS-Mitgliedern hängte der Angeschuldigte den Geschädigten mit hinter dem Rücken gefesselten Händen an der Decke auf, schlug ihn mehrfach mit Peitschen und Kabeln und trat auf ihn ein. Der Geschädigte war im Anschluss länger als zwei Monate in verschiedenen IS-Gefängnissen inhaftiert. Dort misshandelte ihn der Angeschuldigte zusammen mit anderen IS-Mitgliedern wiederholt mit spitzen, scharfen oder schweren Gegenständen sowie mit Stromschlägen.
Den 13-jährigen Bruder des eben genannten Geschädigten hielt der IS ebenfalls über mehrere Monate gefangen. In dieser Zeit transportierte Raed E. den Bruder einmal von einem in ein anderes IS-Gefängnis. Bei einer anderen Gelegenheit wies der Angeschuldigte zwei IS-Mitglieder an, den Bruder mit auf dem Rücken zusammengebundenen Händen an der Decke aufzuhängen.
Ein weiterer Angehöriger des Al-Shu’aytat-Stammes verbrachte viereinhalb Monate in Gefangenschaft beim IS. In der Haft misshandelte ihn Raed E. zweimal gemeinsam mit einem anderen IS-Mitglied. Dabei wurde der Gefangene mit einem Seil an den auf dem Rücken gefesselten Händen nach oben an die Decke gezogen, bis nur noch seine Zehenspitzen den Boden berührten. Sodann schlug der Angeschuldigte ihm mit einem Wasserschlauch auf die Füße. Zudem versetzte der Angeschuldigte dem Gefangenen mit einem Wasserschlauch Schläge am ganzen Körper mit Ausnahme des Kopfes.
Raed E. war insgesamt bis Februar 2015 für den IS aktiv. Während seiner Zeit als Mitglied nahm er weitere Aufgaben für die Vereinigung wahr. Unter anderem wickelte er Freikäufe inhaftierter Angehöriger des Al-Shu’aytat-Stammes ab und war an drei Straßenkontrollpunkten des IS im Stammesgebiet eingesetzt.
Der Angeschuldigte wurde am 6. April 2022 festgenommen und befindet sich seitdem in Untersuchungshaft (vgl. Pressemitteilungen Nr. 21 und 23 vom 6. und 7. April 2022).